Mit Textilbeton eine Brücke gespannt

Bauwerk

Die Anforderungen der Stadt Altstadt-Lautlingen als Bauherr waren beim Neubau der neuen Fußgänger- und Radfahrerbrücke zwischen dem Stauffenberg-Schloss und dem Schulgelände klar definiert: Der Brückenbau soll einerseits einen schlanken Überbau erhalten, andererseits erhöhte Anforderungen an die Frost-/Tausalzbeständigkeit erfüllen und eine erhöhte Lebensdauer von 80 Jahren gewährleisten. Auf dieser Basis reifte bei Groz-Beckert die Idee, dass für eine neue Brücke textile Bewehrung Verwendung finden könnte – mit Groz-Beckert als übergreifendem Projektpartner und dem Vorteil der absoluten Korrosionsbeständigkeit von Textilien.

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Die Textilbetonbrücke Albstadt-Lautlingen beeindruckt durch ihre einzigartige Optik

Direkt nach dem Beschluss zum Abriss der alten Stahlbetonbrücke beauftragte Groz-Beckert unverzüglich die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, kurz RWTH, mit einer Machbarkeitsstudie für eine Textilbetonbrücke. Die daraufhin erarbeitete Studie bescheinigte durchweg positive Prognosen hinsichtlich der zu erwartenden Materialeigenschaften und der Nutzungsdauer. Die Stadt und Groz-Beckert einigten sich daraufhin auf eine Aufteilung der Baukosten. Der offizielle Baubeginn für den Unterbau und nachfolgende Arbeiten fiel im November 2009. Davor mussten jedoch noch zahlreiche Freigabeprozesse und Einzelzulassungen durchlaufen werden. Denn der Baustoff Textilbeton ist aufgrund seines Innovationsgrads noch nicht normativ geregelt. Dennoch verliefen die Bauarbeiten großteils planmäßig. Im November 2010 wurde die Brücke dann der Stadt übergeben.

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Das Herzstück sind die textilen Gelege innerhalb der Brückenkonstruktion.

Endlosrovings aus alkali-resistentem (AR)-Glas wurden zu einem Gelege, das heißt einer netzartigen Struktur, mit Achsabständen von maximal 15 mm zusammengefügt. Durch ein Tränkungsverfahren, bei dem die Rovings mit Epoxidharz beschichtet werden, entstand eine robuste Bewehrungsstruktur (3800 m² epoxidharzgetränktes, textiles Glasfasergelege). Diese bleibt auch während dem Betoniervorgang formstabil. Zudem konnten nach dem Tränkungsprozess geformte Bewehrungselemente hergestellt werden, die für die Stege und Kappen notwendig sind. Darüber hinaus ermöglicht das Epoxidharz, dass nahezu alle Filamente eines Rovings an der Lastabtragung beteiligt sind und damit die Filament-Zugfestigkeit erreicht wird. Die Rovings mit einem Durchmesser von etwa 2 mm erzielen somit Zugspannungen von ca. 1000 N/mm². Für die Textilbetonbrücke in Albstadt-Lautlingen, bei der die Betonoberfläche direkt begehbar ist, wurde eine praxistaugliche Feinbetonrezeptur entwickelt. Sie erfüllt gleichermaßen hohe Anforderungen an Frostbeständigkeit, Abriebfestigkeit, Oberflächenqualität und Verarbeitbarkeit. Aufgrund der engmaschigen textilen Bewehrung – mit einer Öffnungsweite von 15 mm – wurde der Größtkorndurchmesser auf 4 mm begrenzt, sodass eine Siebwirkung weitestgehend ausgeschlossen werden konnte. Durch den verwendeten Feinbeton war es zudem möglich, eine scharfkantige Querschnittsgeometrie mit einer homogenen Oberfläche herzustellen. Mit einer Länge von rund 100 Metern ist die Textilbetonbrücke Albstadt-Lautlingen aktuell mit Abstand die größte ihrer Art – weltweit!

In Bezug auf die Nachhaltigkeit, einem Thema, dem sich Groz-Beckert seit jeher verpflichtet fühlt, sorgt die Textilbetonbrücke aller Voraussicht nach durch die längere Nutzungsdauer und den reduzierten Materialeinsatz gegenüber Stahlbetonbrücken für eine wesentlich bessere Ökobilanz.

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Groz-Beckert-Textilbrücke
Das Brückengeländer besteht aus verzinktem Stahl mit Edelstahl-Netzbespannung und integriert im Handlauf ein LED-Band zur Beleuchtung der Brückenoberseite.

Das Drahtseilnetz des Brückengeländers gibt es auch in der materialDATENBANK der raumPROBE: Drahtseilnetz Inox Line WEBNET.

Fotos: Groz-Beckert

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Verfasst am 10. April 2016